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Mein Geburtsbericht
Meine „Geburtsgeschichte“ beginnt für mich persönlich schon einige Tage vor der eigentlichen Geburt, denn genau dort begann für mich der Horror… Nein, es waren keine frühzeitigen Wehen oder irgendwelche Komplikationen. Es war die Angst, die mir bei einem routinemäßigen CTG im Krankenhaus gemacht wurde. Es war Donnerstag, der 26. Mai 2022, Christi Himmelfahrt, weswegen die Praxis meiner eigentlichen Frauenärztin geschlossen hatte und ich für den Check-Up ins ortsansässige Krankenhaus geschickt wurde. Der Stichtag war bereits 2 Tage vorüber. Bislang kam ich noch nicht in den Genuss einer Wehe und auch sonst ging es mir, abseits des zusätzlichen Gewichts, soweit gut. Das CTG wurde geschrieben, danach sollte ich zur Ultraschalluntersuchung. Untersucht wurde ich dabei von einer Assistenzärztin – schließlich war es Feiertag und das Krankenhaus selbst wahrscheinlich nur mit einer „Notbesetzung“ ausgestattet.
Beim Ultraschall wurde bestätigt, was ich schon durch die bisherigen Untersuchungen bei meiner Frauenärztin wusste: Mein Baby sei sehr groß und nach mehrfachem Schallen und Berechnen von Durchschnittswerten schätzungsweise auch sehr schwer. Laut Assistenzärztin sei dies Anlass zur Sorge, denn eine herkömmliche Geburt könnte durchaus zu Komplikationen führen. Und sie wurde nicht müde mir diese Komplikationen aufzuzeigen… bis hin zum Tod meines Kindes.
Die Unterhaltung verlief für mich wie ein schlechter Film. Wenn es nach der Assistenzärztin gegangen wäre, hätten sie mich sofort im Krankenhaus stationär aufgenommen und schnellstmöglich einen Kaiserschnitt gemacht. Doch darauf war ich nicht vorbereitet… absolut nicht und so verneinte ich dieses Vorhaben. Ich hatte keine Unterlagen dabei, der Tag war anders geplant (ein witziger Gedanke in dieser Sekunde) und auch sonst fand ich das überzogen. Meine Fähigkeit in solchen Situationen eher „ruhig“ zu bleiben, sogar fast ein bisschen herablassend zu werden, ist für den Moment nichts weiter als ein guter Schutzmechanismus. Am Ende musste sich die Assistenzärztin noch bei einer Fachärztin telefonisch versichern, wobei ich erneut die Worte hörte: Haben Sie ihr gesagt, dass sie den Tod ihres Kindes riskiert?
Ja, hatte sie. Mehrfach. Danke dafür… einer Erstlings-Mama eine solche Angst zu machen, half gar nicht. Und dabei ging es mir nicht um die Information selbst, sondern vorwiegend um den barschen und herrischen Tonfall, der mich zurückweichen ließ. Für den Moment gewann mein Trotz und ich wollte unbedingt nach Hause. Egal, was passierte, ich würde definitiv erst einmal nach Hause fahren!
Am Ende musste ich ein Dokument unterschreiben, dass ich gegen ärztlichen Rat das Krankenhaus verlasse und bin nach Hause gefahren.
Und so sehr mich dieser gut funktionierende Schutzmechanismus auch schützt, just in dem Moment in dem ich in meinem Auto ankam, brachen die Tränen aus mir heraus und die Fragen nahmen seinen Lauf… war ich schon jetzt eine schlechte Mutter, weil ich mich nicht direkt „für“ meinen Sohn entschieden hatte? Waren die Worte der Ärzte überzogen oder hätte ich darauf hören sollen? Machte ich schon jetzt alles falsch?
Ich fuhr unter bitterlichen Tränen nach Hause, traf dort auf meinen Mann und bekam in den ersten Sekunden kein Wort heraus. Auf seinem Gesicht konnte ich die pure Panik sehen. Also schilderte ich schnell was passiert war. Zum Glück ist er die Ruhe in Person, besonnen und konnte mich direkt beruhigen. Wir waren auf dem Weg zu seinen Eltern und wollte dort mit Freunden der Familie grillen. Seine Idee: Ich solle die Frauen vor Ort um Rat fragen – alles Mütter von einem oder mehreren Kindern – und würde ich danach immer noch einen Kaiserschnitt wollen, würde er mich postwendend ins Krankenhaus fahren. Das klang gut. Das klang vernünftig. So wollte ich das handhaben.
Die Damen schafften es tatsächlich mich zu beruhigen. Nach reiflicher Überlegung legte ich meinen Plan fest: In den nächsten zwei Tagen (bis zum nächsten CTG-Termin am Samstag, den 28. Mai 2022) würde ich alles dafür tun, dass die Wehen von allein einsetzten.
2 Tage Power-Programm
Ich habe wirklich alles probiert… Scharfes Essen, Hardcore-Ingwer-Shots pro Tag, traute Zweisamkeit und ausgiebige Spaziergänge… der kleine Mann in mir hatte einfach gar keine Lust auf die Welt zu kommen. Also kam der nächste CTG Termin schneller als gedacht. Für mich stand jedoch immer noch fest: Ich lasse mir eine fachliche Einschätzung einer „richtigen“ Ärztin geben. Keine Assistenzärztin, keine Praktikantin oder sonst jemand ohne abgeschlossenes Medizinstudium. Und ja, das klingt fies, aber die Erschütterung über den letzten Krankenhausaufenthalt saß einfach noch zu tief.
Doch leider hielt auch die Fachärztin an den Aussagen vom vorherigen Termin fest: Mein Sohn sei sehr groß und bringe höchstwahrscheinlich ein Gewicht zwischen 4,5 bis 5,0 kg auf die Waage. Ihre Empfehlung: Zum Schutz des Kindes und der Mutter wäre ein Kaiserschnitt am besten und das so schnell wie möglich, denn mit jedem Tag könne er noch weiter wachsen und/oder schwerer werden. Für mich wurde noch am selben Tag eine OP angesetzt, doch ganz ohne „Notfall“-Charakter. Ich konnte mich also noch eine Weile entspannen.
Nach dem Ultraschall sollte ich noch „kurz“ im Behandlungszimmer warten, die Schwester würde mich abholen und mich für die Wartezeit in mein Zimmer bringen. Und genau diese Schwester kam wenige Minuten später … in kompletter Schutzmontur. Ihre Aussage: Der vorab vorgenommene Corona-Test sei leider positiv, man müsste nun ein bisschen umdisponieren. Mein Mann könne nun natürlich auch nicht bei der Geburt dabei sein.
Mich traf der Schlag! Ich wurde einige Sekunden still, dann reaktivierte sich mein bereits erwähntes Schutzschild. NEIN! Ich guckte die Schwester an und sagte, dass das Schwachsinn sei. Ich hatte seit Beginn meiner Schwangerschaft im Home Office gearbeitet, damit ich diesem ganzen Corona-Wahnsinn nicht ausgesetzt wurde. Mein Mann testete sich jeden Tag vor der Arbeit und bevor er nach Hause kam. Der Besuch aus der Familie war mehr oder weniger beschränkt auf meine eigene Mutter und eine meiner besten Freundinnen. Beide testeten sich ebenfalls täglich, um unseren Haushalt „unkontaminiert“ zu lassen. Ich war also fast schon „isoliert“. Und nun wollte mir die Dame im grünen Kittel erzählen, das sei alles für die Katz? Ich sei doch positiv?
Nicht mit mir!
Ich intervenierte. Nein, das konnte nicht sein. Sie entschuldigte sich für ein paar Minuten und bat mich erneut zu warten. Die Zeit verlief so unglaublich langsam. In der Zeit des Wartens rief ich unter Tränen meinen Mann an, sagte ihm, was passiert sei und dass er wahrscheinlich nicht dabei sein konnte. Ich schrieb meiner Familie und informierte meine Eltern. Dieser Frust musste raus…
Und dann ging plötzlich die Tür auf, die Schwester trat erneut ein – ohne Schutzkleidung. Sie entschuldigte sich für die Panik, das Gerät zum Testen der Probe war scheinbar defekt. Ein Ersatzgerät aus einer anderen Abteilung zeigte deutlich, dass der Corona-Test negativ sei.
Wow… natürlich eine schöne Info, aber wütend war ich trotzdem. Hätte ich nicht den Mund aufgemacht und darauf bestanden, dass diese Aussage Schwachsinn sei, hätte ich unser Kind ganz allein, isoliert, in irgendeinem abgeschirmten Corona-OP bekommen. Aber egal… zurückrudern! Erst mein Mann, dann meine Familie. Ersterer durfte sich zeitnah auf den Weg machen, um sich im Krankenhaus einzufinden. Das OP-Team sei bereits im Haus, allerdings gerade noch im Dienst. Die nächste auf der Liste wäre ich.
Um 10 Uhr morgens bin ich an diesem Tag ins Krankenhaus gefahren, als mein Mann eintraf war es ungefähr 15:30 Uhr. Aus „Sie sind gleich die nächste“ wurde 16:30 Uhr, 17:30 Uhr, 18:30 Uhr… dann endlich die Erlösung: Gleich würde es wirklich losgehen.
In der Wartezeit wurde mir die Vorgehensweise und die möglichen Komplikationen erneut erläutert. Ein paar Unterschriften hier, ein paar Dokumente dort, dann wurde ich auch schon in den OP geschoben.
Wer es nicht weiß: Ein Kaiserschnitt wird bei Bewusstsein durchgeführt. Lediglich eine Spinalanästhesie sorgt dafür, dass die untere Körperhälfte gelähmt wird und so die notwendigen Schnitte gesetzt werden können. Man spürt also keine Schmerzen, aber dass an an einem „gearbeitet“ wird, spürt man auf jeden Fall.
Für mich war es die erste OP in meinem Leben, und ich möchte das auch so schnell nicht wiederholen. Der Moment der Taubheit brachte eine Urangst in mir zu Tage, die meinen Blutdruck und meinen Puls verrückt spielen ließ. Alles verlangsamte sich, lief nur noch in Zeitlupe ab. Eine Frage schoss mir immer und immer wieder durch den Kopf: Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?
Ich war kurz vor einer Ohnmacht, als mir ein Mittel gespritzt wurde, das alles wieder ins Lot brachte. Mein Puls beruhigte sich, ich konnte mich „entspannen“ und der Kaiserschnitt wurde durchgeführt. Nur wenige Minuten später wurde mein Sohn in die Welt geholt. Den ersten Schrei konnte ich zwar hören, klang für mich persönlich aber in so weiter Ferne, das ich ihn nicht bewusst verarbeiten konnte. Dafür war die Situation einfach zu angsteinflössend und ja, irgendwie schrecklich. Leise hörte ich noch die Worte: Bitte lass ihn über 4 kg auf die Waage bringen, sonst war dieser Kaiserschnitt völlig überflüssig. Und dann wurde mir mein Sohn auch schon präsentiert, der Papa hielt den kleinen Mann im Arm, in seinen Augen Tränen vor Glück. Dieses kleine Menschlein wirkte gleichermaßen winzig und riesig für ein Neugeborenes. Fun Fact: Wenn mein Mann von dem Moment der Geburt erzählt, dem ersten Schrei, das Kürzen der Nabelschnur, ist das eine so andere und schönere Geschichte – aber er lag auch nicht halbwegs betäubt auf einer Bahre, während an ihm herumgezuppelt wurde.
Während der „Aufräum“-Arbeiten durfte der Papa den Kleinen halten, beide saßen direkt neben mir und ich versuchte mich ganz auf dieses kleine Wesen zu konzentrieren. Das Zunähen aller Muskelpartien hat deutlich länger gedauert als die Geburt und war eine Mischung aus Zerren und Ziehen und Rütteln. Ja, es waren keine Schmerzen, aber schön ist trotzdem etwas anderes. Während mein Mann also unseren Sohn in den Armen hielt, war ich noch ganz mit mir selbst beschäftigt. Aber… es war vollbracht! Er war gesund und munter und – verzeiht das Übertreiben – ich war am Leben! Eine solche Angst hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gespürt. Ein Gefühl, das auch Tage, Monate und – ich kann mit Recht behaupten – wohl auch noch Jahre in mir verankert bleibt.
Die Geburtswerte meines Sohnes:
Datum: 28. Mai 2022
Uhrzeit: 19:02 Uhr
Größe: 56 Zentimeter
Gewicht: 4490 Gramm
Ob diese Werte wirklich eine normale Geburt erschwert oder gar unmöglich gemacht hätten, werde ich nie erfahren. Dazu können mir wahrscheinlich nur andere Mütter eine Einschätzung geben.